Hannes Löschel musician*composer Send eMail

Miranda

Eine Überland-Partie

Musiktheaterinstallation für Schauspiel, Stimme und Musik mit einem Text von Thomas Ballhausen

miranda-sibylle

Line up UA
Musik: Hannes Löschel
Regie, Raum: Gerhard Alt
Miranda: Sibylle Gogg
Miranda, Kostüme: Theresa Eipeldauer
Field recordings: Peter Kutin
Kontrabass: Matija Schellander
Licht: Monika Gruber
Video: Johannes Novohradsky

Als Fortsetzung der Film – Musik Serie Wien\Schnitt\Bild unterliegt „Miranda – eine Überlandpartie“, ein an William Shakespeare ́s letztes Theaterstück »Der Sturm« (The Tempest) angelehntes Textfragment von Thomas Ballhausen, ein zu einem Song arrangiertes Shakespeare-Sonett und Field Recordings, aufgenommen auf dem in der Nähe des Odeon angesiedelten Nordwestbahnhof. Aus diesen Materialien entwickelt sich eine Musiktheaterinstallation über eine Insel, stürmisches Wetter und das Wegwollen. (hl)

Thomas Ballhausen - Stormy Miranda
Schlechtes Wetter heute, nicht wahr? Das habe ich mir schon beim aus dem Fenster schauen gedacht: Schlechtes Wetter. Schon wieder. Auf dieser Insel regnet es wirklich sehr häufig. Dabei ist die Lage, wie es mein Vater so schön sagt, gar nicht so schlecht. Auch auf die Jahre gesehen. Aber heute. Das Wetter. Wirklich schlecht. So schlecht, das es schon wieder künstlich sein könnte. Genau, künstlich auf eine besondere Weise. All die Geister, die hier den ganzen Tag auf der Insel herumfliegen, herumsausen, da wird einem ja schwindlig. Da muss einem ja schwindlig werden. Da kann einem das Wetter schon mal schlecht werden. Wie Milch schlecht wird. Ja, wie Milch. Wenn ich mir die Wolken ansehe, die so über der Insel liegen. Da kann mir schon schlecht werden, von der ganzen schlechtgewordenen Milch, die da mit den Geistern im Himmel hängt. Da kann man selber auch ganz schlecht werden. Von dem Wetter. Von den Geistern. Und natürlich von all den Jahren hier auf der Insel. Auch wenn Vater immer sagt, dass die Lage so schlecht gar nicht ist. Aber das ist, so kommt es mir inzwischen vor, auch eine Frage der Perspektive. Das Schlechte, wissen Sie. Das Schlechte, weil beim Wetter, beim Wetter freilich, da kann man nicht wirklich diskutieren. Da kann man sich nur fragen, was hausgemacht ist, von all dem stürmischen Wetter da draußen. Was also irgendwie künstlich hinzugefügt wurde, was man sich so er- funden hat. So auf die Jahre gerechnet. Und was von all den Jahren hausgemacht ist. Da kann einem dann auch wieder recht schnell schwindlig werden, von all den Erfindungen und den Jahren. Mit all den Jahren auf der Insel ist man mit seinen Erfahrungen ja sehr eingeschränkt, ja geradezu begrenzt. Und wer will bei all dem schlechten Wetter dann raus aus dem Haus oder gar runter von der Insel? Das könnte man sich fragen. Und ich würde Ihnen antworten: Ich will, ich will unbedingt. Das gebe ich Ihnen allen auch gerne schriftlich. Am allerliebsten gebe ich Ihnen allen das auch gerne schriftlich. Das mache ich nur zu gerne, das ist kein Zufall. Auf dieser Insel ist ja alles Mögliche schriftlich. Auf dieser Insel ist ja auch alles Mögliche kein Zufall. Auch das Wetter nicht. Ich habe ein wenig gebraucht, um dahinter zu kommen. Ein paar Jahre hat das schon gedauert. Nicht, dass sie mich für besonders dumm halten. Ich bin bloß so dumm wie alle anderen auch und manches braucht seine Zeit. Aber mein Vater ist da anders. Er ist zumindest ein bisschen weniger dumm als alle anderen. Vielleicht ist er also ein wenig schlauer. Was weiß ich. Genau. Was weiß ich? Aus den wohlbehüteten Büchern meines Vaters weiß ich so einiges, manches habe ich tatsächlich gelernt. Und nach ein paar Jahren, nach der Zeit, die es gebraucht hat, habe ich dann verstanden. Hier geht es nämlich nicht mit rechten Dingen zu, sondern mit Geistern und Schrift. Da kann man sich schon wundern, die Stirn runzeln und sich an den Kopf fas- sen. Ist er heiß, der Kopf? Oder ist er ganz kühl, ganz klar? Ja, mit Geistern. Mit Schrift. Und mit gar nicht so rechten Dingen. Und das schon seit Jahren. Seit zwölf Jahren, um genau zu sein. Aber dann bin ich dahinter gekommen, jetzt verstehe ich zumindest ein paar grundlegende Dinge. Und ich habe begonnen, meine eigene Schrift zu schreiben. Ich habe mich aufgenommen und abgespielt, ich habe die Szenen entworfen. Und da bin ich nun. Rede über das Wetter, die Geister, meinen Vater. Können Sie schon merken, worauf das hinausläuft? Ich nehme mich also auf, spiele mich ab, schreibe mich. Weil, meinem Körper entkomme ich ja nicht, von dieser Insel komme ich so ohne weiteres nicht he- runter, was bleibt mir also. Ich schreibe. Nur so kann ich teilnehmen, kann ich mich hörbar machen. Meine Stimme muss erst geschrieben werden, mein Text war ja kaum da. Aber jetzt ist das anders. Ich habe anfangs ganz vorsichtig geschrieben, heimlich. Mich langsam vorgetastet, Wort für Wort, Zeile für Zeile. Immer noch ganz nah an den Vorgaben, wie ein Schatten. Dann bin ich lauter geworden, bin hervorgetreten. Habe mir nicht bloß etwas gewünscht, ich habe etwas gewollt. Verstehen Sie mich nicht falsch, mein Vater liebt mich, das ist es nicht. Er hat nur das Beste für mich im Sinn, vielleicht ist das ja das Problem. So behütet. So wohlerzogen. So adrett. Und wenn ich so in den Text schaue, den er für mich vorgesehen hat, dann möchte ich schreien. Das kann ich jetzt auch schon. Aber nicht, weil er es vorgesehen hätte. Ich schreie sozusagen um meiner selbst willen. Man will doch nicht immer nur die Verliebte sein, ich, ich will bestimmt nicht einfach immer nur die Verliebte sein. Da muss es doch noch etwas mehr geben, für dieses ich. Ich schreibe mich auf, schreibe mich herbei. Ich schreibe, also bin ich. Schreiben ist auch eine Möglichkeit, etwas zu wollen. Und ich will. Weg. Das habe ich Ihnen ja schon gesagt. Aber da ist noch mehr. Ich bin nicht ungenügsam oder gierig. Aber ich bin wie alle anderen auch. Deshalb will ich weg. Und aufwachen. Mir ist nämlich manchmal so, als würde ich immer nur träumen. Immer nur träumen, und das nun schon seit zwölf Jahren. Ganz so, als würde ich niemals mehr wach. Und selbst wenn das so ist, wenn ich also träume, dann will ich schon meine eigenen Träume erleben. Sie träumen. Dann will ich schon ich sein. Das wird sie jetzt gar nicht so sehr wundern oder überraschen. Hoffe ich. Aus den Wörtern werden hier Bilder, wird auf dieser Insel die Wirklichkeit, das Wetter, einfach alles. Also schreibe ich, praktisch ununterbrochen. Die Bilder sollen, nein, sie dürfen einfach nicht das letzte Wort haben. Nicht schon wieder. Ich werde das letzte Wort haben, ich werde das letzte Wort sein.
Ich bin Miranda.

Miranda - Kurzfassung on Vimeo


Probenfotos

miranda-theresa
miranda-sibylle
miranda-matija
miranda

 

 

 

 

 

 

Impressum | Datenschutz